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Interview

Weg in die Regelversorgung ebnen

18.12.2023

Ein Interview der Kassenärztliche Vereinigung Brandenburg mit Silke Finner, Koordination unseres Projektes Hürden nehmen - Psychosoziale Versorgung für Geflüchtete.

Worum geht es in Ihrem Projekt?

Wir wollen die psychosoziale Versorgung von psychisch beeinträchtigten Menschen mit Verfolgungs-, Kriegs und Fluchterfahrung im Land Brandenburg verbessern. Dafür haben wir in acht brandenburgischen Landkreisen und kreisfreien Städten regionale Beratungsstellen aufgebaut, in denen Teams von Psychologinnen und Psychologen sowie Sozialarbeitenden psychosoziale Unterstützung anbieten, kostenlos, kultursensibel und gegebenenfalls mithilfe von Sprachmittlern. Mit unserem Kooperationspartner PSZ XENION erproben wir an drei dieser Standorte den Einsatz digitaler Beratungstools, um damit den Zugang zu psychologischer Hilfe in strukturschwachen Gegenden zu erleichtern. Ein weiteres Team, mit zusätzlicher sozialpsychiatrischer Kompetenz ist überregional tätig mit dem Ziel, Kooperationen und fachlichen Austausch mit den Regelstrukturen des Gesundheitssystems zu fördern.

Mit unseren Angeboten wollen wir vor allem geflüchtete Menschen, ob nun im Asylverfahren oder bereits mit Aufenthalt, erreichen, die bisher keinen angemessenen Zugang zur Behandlung hatten. Durch einen niedrigschwelligen Zugang und unsere interkulturellen Beratungskompetenzen wollen wir dabei helfen, die Hürden in die gesundheitliche Regelversorgung zu überwinden.

Was leisten die psychosozialen Zentren?

Als eines von 47 Psychosozialen Zentren in Deutschland bieten wir geflüchteten Menschen, Migrantinnen, die Gewalt, Krieg und Flucht überlebt haben, eine auf ihre Bedürfnisse ausgerichtete psychosoziale Versorgung. Mit ressourcenorientiertem, wertschätzendem, interkulturellem und ganzheitlichem Ansatz unterstützen wir den Heilungsprozess durch multiprofessionelle Teams, Einzel- und Gruppenangebote sowie sozialer Beratung, unter Berücksichtigung aktueller Lebensumstände. Dies wird durch verschiedene Fördermittelgeber und projektbasierte Finanzierung ermöglicht.

Können sich ambulante Praxen einbringen? Wenn ja, wie?

Ambulante Praxen – egal ob ärztlich oder psychotherapeutisch – können gemeinsam mit PSZ-Mitarbeitenden nach Lösungen für bestehende Versorgungsprobleme geflüchteter Menschen suchen. Die Bereitschaft der Praxen, geflüchtete Menschen aufzunehmen, wäre dafür sehr hilfreich.

Zu Anamnesen und Diagnosen können die Mitarbeitenden des PSZ aus ihrer Kenntnis der Patientinnen – auf der Basis von Schweigepflichtsentbindungen – Wissen über deren traumatische Erlebnisse, von Kriegs- und Foltererfahrungen einbringen. Die Berücksichtigung psychischer Erkrankungen im Asylverfahren ist für die Betroffenen oft von existenzieller Bedeutung. Die Erkennung und Bescheinigung dieser Aspekte erfordert fachärztliche Kompetenz, da die Vorträge von Asylsuchenden und beratenden Psychologinnen/Psychologen sonst aus Rechtsgründen nicht berücksichtigt werden. Beratende Psychologinnen/Psychologen können Fachärztinnen und -ärzte bei der Erstellung von Stellungnahmen unterstützen.

In diesen Bereichen sind die PSZ ständig auf die Kooperation der Fachärzteschaft angewiesen. Im Rahmen unseres Projektes suchen wir noch explizit nach zusätzlicher fachlicher Unterstützung durch Psychiaterinnen und Psychiater, auch auf Honorarbasis.

Welche Unterstützung bieten Sie ambulanten Praxen?

Gerne bieten wir unsere umfangreichen interkulturellen und psychosozialen Kompetenzen an. Wir unterstützen im Behandlungsfall bei der Anamnese- und Diagnosestellungen, bei der Lösungssuche für Sprachmittlung und der Bewältigung komplexer Bedarfe. Wir bieten fachlichen Austausch, Fallbesprechungen und praxisbegleitend Betreuungsunterstützung an. Der Austausch kann multiprofessionelle Teamkenntnisse zu Strukturen, gesetzlichen Rahmenbedingungen (Asylrecht) und kulturellen Besonderheiten umfassen. Für die Praxen können zudem sozialarbeiterisch begleitete Bedarfsermittlungen durchgeführt werden. Wir bieten Austauschformate wie Fachgespräche zu Geflüchteten-Themen und Seminare zu Dolmetscherarbeit, Stellungnahmen und Fachtagungen an.

Dieses Interview ist im Dezember 2023 in der Monatsschrift der Kassenärztlichen Vereinigung Brandenburg (KV intern Ausgabe 12 / 2023) erschienen.